






Für meine Masterarbeit wollte ich meine Begeisterung für das Internet wiederentdecken. Mein Ziel war es, das Internet zugänglicher zu gestalten und gleichzeitig zu entmystifizieren. Das veranlasste mich, mich näher mit dem aktuellen Zustand des Internets auseinanderzusetzen und Probleme in Bezug auf Nachhaltigkeit, Kapital und Machtstrukturen zu identifizieren, die mich unbewusst schon immer ein wenig frustrierten.
Das Ergebnis meiner Außeinandersetzung ist /sys/net/visible, eine Medienkunstinstallation, die sich mit der physischen und digitalen Infrastruktur des Internets auseinandersetzt. Ausgehend von Konzepten wie Permacomputing, Cyberfeminismus und organisierten sozialen Netzwerken zielt die Installation nicht nur darauf ab, das Internet zu entmystifizieren, sondern auch konkrete Gegenvorschläge zum aktuellen Status quo zu formulieren.
Grundsätzlich zielt die Installation darauf ab, die Infrastruktur des Internets sichtbar zu machen. Die Installation umfasst drei PCs und ein Smartphone, deren Komponenten offen liegen und auf denen Websites gehostet werden.
Der erste Gegenvorschlag befasst sich mit der Verschleierung der Cloud. In der aktuellen Debatte wird häufig die Machtkonzentration bei großen Anbietern aufgrund der Abstraktion und Zentralisierung der physischen Infrastruktur kritisiert.
Als Reaktion darauf lehnt /sys/net/visible versteckte, unzugängliche Rechenzentren ab. Stattdessen nutzt die Installation einfache, offen liegende Geräte, um Websites bereitzustellen. Durch das physische Öffnen der Hardware und das Sichtbarmachen der internen Komponenten entmystifiziert die Installation den Server. Sie bietet eine greifbare Visualisierung der genauen Ressourcen, die für den Aufbau eines Servers im Internet erforderlich sind.
Die verwendeten Geräte sind ausrangierte Modelle, die aus dem Müll oder aus entlegenen Ecken von Haushalten gerettet wurden. Dies ist der zweite Gegenvorschlag.
Anstatt sich am Kreislauf der Entwicklung immer neuerer, schnellerer und leistungsfähigerer Server zu beteiligen, erhalten diese Geräte durch Wiederverwendung einen neuen Zweck. Diese alten Geräte sind zwar für den heutigen regulären Gebrauch zu langsam, aber ein Webserver für eine statische Website benötigt deutlich weniger Rechenleistung. Der zugrunde liegende Software-Stack wurde mit modernen Programmiersprachen entwickelt, die die Nutzung begrenzter Ressourcen optimieren. Dieser Ansatz zeigt, dass ältere Hardware durch sorgfältige Wiederverwendung und Optimierung weiterhin effektiv als funktionale Komponenten der Internetinfrastruktur dienen kann, was die vorherrschende Norm der ständigen technologischen Veralterung in Frage stellt.
Jedes der vier Geräte ist für eine Website innerhalb eines Netzwerks verantwortlich. Diese Websites sind über Hyperlinks miteinander verbunden. Wenn ein Link ausfällt, ist der entsprechende Server in der Installation aus.
Dieser dritte Gegenvorschlag verdeutlicht die Fragilität des Netzwerks. Im Gegensatz zur überdimensionierten Redundanz kommerzieller Cloud-Anbieter lässt diese Installation Fehler zu. Wenn eine Website aufgrund einer internen Störung, eines Stromausfalls oder eines Bot-Angriffs offline geht, entsteht ein Moment der Reibung – eine „Glitch“ im Sinne von Legacy Russel, bei der das System „die Ausführung verweigert“. Diese Glitch zwingt die Nutzer, ihre Abhängigkeit von der Infrastruktur anzuerkennen. Da das System jedoch dezentralisiert ist und auf Links statt auf einem zentralisierten Feed basiert, bleibt der Rest des Netzwerks funktionsfähig. Dies bringt uns zurück zu einer der ursprünglichen Ideen von Tim Berners-Lee: der Widerstandsfähigkeit eines vernetzten, dezentralisierten Webs.
Letztendlich bildet die technische Infrastruktur die Grundlage für Zusammenarbeit, was zum vierten und letzten Gegenvorschlag führt. Jede Website wurde von einem anderen Künslter*in entworfen und entwickelt, wobei pro Server ein*w Künstler*in zuständig war.
Diese Struktur schafft ein „organisiertes soziales Netzwerk”, in dem die Community die volle Kontrolle über ihre Infrastruktur hat. Dies steht im Gegensatz zu dem, was Ökonomen als „Technofeudalismus” bezeichnen, einem System, in dem Nutzer als Leibeigene agieren und Wert für Plattformbesitzer schaffen, ohne das digitale Land zu besitzen, auf dem sie leben. Da wir die Kontrolle hatten, konnten wir Designentscheidungen treffen, die kommerzielle Plattformen nicht zulassen würden.
Beispielsweise wurde in jedem PC ein Kontaktmikrofon installiert (im Handy wurde das interne Mikrophon genutzt), um den Live-Sound der laufenden Maschine aufzunehmen. Zusätzlich werden Systemdaten wie CPU-Auslastung, RAM-Nutzung und Temperatur in Echtzeit ausgelesen.
Diese Daten werden über einen benutzerdefinierten API-Endpoint bereitgestellt und direkt auf die gehosteten Websites gestreamt. Während des Surfens können die Nutzer die „Belastung“ der Maschine sehen und das Summen des Servers hören, der die Inhalte liefert. Diese bidirektionale Beziehung bedeutete, dass die Infrastruktur die Kunst beeinflusste; die Entscheidung, Systemdaten und Geräusche zu visualisieren, beeinflusste die ästhetische und konzeptionelle Entwicklung der Websites.
Wenn Du einen tieferen Einblick in die Arbeit erhalten möchtest, empfehle ich Dir, die Thesis und das Logbuch zu lesen. Die beinhalten eine viel detailliertere Dokumentation über die Arbeit. Dort erkläre ich ausführlicher, wie ich das Konzept auf der Grundlage meiner Forschung entwickelt habe und wie die Ideen des Konzepts technisch umgesetzt wurden. In den Protokollen habe ich den täglichen Fortschritt dokumentiert.
2025: Artist Talk bei der Transform 2025 – Conference on AI, Art, Design and Society, Hochschule Trier, Trier, Deutschland
2025: Transform 2025 – Conference on AI, Art, Design and Society, Hochschule Trier, Trier, Deutschland
2025: /sys/net/visible – Masterarbeit-Ausstellung, Oldenburger Computer-Museum, Oldenburg, Deutschland